DER SATANARCHÄOLÜGENIAL-KOHÖLLISCHE
WUNSCHPUNSCH
Michael Ende | Premiere 6. November 2016 | Landestheater Neuss
Zum
Gruseln und Lachen
Mal eben kurz die Welt retten - diese Mission müssen im neuen
Familienstück, das am Rheinischen Landestheater Premiere hatte, der
Rabe Jakob Krakel und der Kater Maurizio di Mauro erfüllen. Dabei
stellt man sich Helden wirklich anders vor. Jakob ist heftig in der
Mauser, leidet unter Reißamartismus in den Flügeln und hat schon
deutlich bessere Zeiten gesehen. Kater Maurizio ist leider nicht der
Hellste und als Geheimagent total untauglich. Und ausgerechnet diese
beiden hat der hohe Rat der Tiere entsandt, um den beiden
Bösewichten, Professor Dr. Beelzebub Irrwitzer und seiner Tante
Geldhexe Tyrannja Vamperl, das Handwerk zu legen. Denn sie brauen am
Silvesterabend den "satanarchäolügenialkohöllischen
Wunschpunsch" - wie der Titel des Stücks von Kinderkultautor
Michael Ende es sagt. Der Trank soll ihnen helfen, im alten Jahr noch
ihr Soll an schlechten Taten zu erfüllen, indem er jeden guten
Wunsch in sein Gegenteil verkehrt.
Dass die Inszenierung des "Wunschpunschs" nichts für
ganz schreckhafte Gemüter ist, lässt schon der Warnhinweis im Foyer
vermuten: Es wird mit stroboskopischen Effekten gearbeitet. Das
heißt, es blitzt und wummert wie in der Techno-Disco, Schwarzlicht
lässt chemische Formeln an den Wänden gespensterhaft leuchten,
Bodennebel hüllt das Geschehen auf der Bühne in unheimliche
Schwaden. Wenn Zauberer und Hexe tanzend und grölend im
eindrucksvollen Laboratorium zugange sind, wird es laut. In den
wichtigen Momenten lässt Regisseurin Konstanze Kappenstein die wild
brodelnde Chemie-Kulisse im Dunkeln verschwinden. Kein Laut ist zu
hören, wenn der Spot nur auf Jakob und Maurizio gerichtet ist, wie
sie erschöpft und ratlos am Bühnenrand sitzen, und erkennen, dass
ihre Freundschaft der Schlüssel ist, um das drohende Unheil
abzuwenden. Jakob hat nicht die Kraft, seine guten Ideen in die Tat
umzusetzen, erst der naive Kater beweist Mut im entscheidenden Moment
- und reiht damit das Stück perfekt in das RLT-Saison-Motto
"Tapferkeit" ein.
Die pädagogische Botschaft kommt nicht nur dank des actionreichen
Bühnenbildes mit vielen originellen Details wie der Horrorvision
einer Kuckucksuhr, die gnadenlos auf das Jahresende zutickt, ohne
jeden moralinsauren Anstrich an. Auch das Ensemble ist bestens
aufgelegt. Andreas Spaniol verkörpert den bösen, zunehmend
gestressten Professor als eine Mischung aus fehlgeleitetem Albert
Einstein und Frankenstein, Linda Riebau gibt überzeugend die richtig
fiese Hexe, barock aufgetakelt, mit turmhohem Dutt und Grunzlauten.
Die Lieblinge der kleinen Gäste im Publikum aber sind Josia Krug als
angeschlagener, ungeduldiger, laut krächzender, aber blitzgescheiter
Rabe und Kater Christoph Bahr, der vom Trottel zum Retter avanciert.
Richtig schön zum Fürchten spielt Michael Meichßner in Teufelsrot
insektenartig den höllischen Gerichtsvollzieher Maledictus Made, der
Zauberer und Hexe mit der Pfändung droht, sollten sie nicht genug
Unheil in der Welt anrichten.
Es wird aber nicht nur gegruselt und gefiebert, sondern auch viel
gelacht - und dabei kommen die jüngsten Besucher mit klassischen
Kasperletheatergags genauso auf ihre Kosten wie ältere Kinder, die
schon Ironie erkennen können. Und wie es sich für ein Familienstück
gehört, gibt es auch für die Erwachsenen genug humorvolle Szenen
für beste Unterhaltung. Der Lohn: lang anhaltender und begeisterter
Applaus.
Petra Schiffer
Neuss- Grevenbroicher Zeitung