REGIE
AUSSTATTUNG
RAHAF
EMMA
Ans rettende Ufer
Regisseurin
Konstanze Kappenstein reduziert Kirsten Bojes "Bestimmt wird
alles gut" in ihrer Bühnenfassung auf zwei Figuren.
Emma ist ein fröhliches Mädchen und immer zu lustigen Streichen
aufgelegt. Und dann taucht unversehens eine neue Schülerin in der
Klasse auf. Sie ist ein bisschen unsicher und kann kein Deutsch.
Ihren Namen Rahaf schreibt sie arabisch. Aber Minions mag sie ebenso
wie Emma. Die beiden Kinder verständigen sich einfach intuitiv und
finden schnell Spaß daran, Dinge unterschiedlich zu benennen. Auf
der Bühne im Metropol-Kuppelsaal tollen Emma und Rahaf munter herum
in einem Meer aus weißen Schaumstoff-Schnipseln und neuen Wörtern.
Bis ein harmloser Knall Rahaf plötzlich in Panik versetzt und die
Erlebnisse der Flucht aus der syrischen Stadt Homs wachruft.
Die Kinder- und Jugendbuchautorin Kirsten Boie hat in ihrem
zweisprachigen Buch „Bestimmt wird alles gut“ ein alltägliches
Flüchtlingsschicksal beschrieben. Die Regisseurin Konstanze
Kappenstein reduziert die Erzählung in ihrer Bühnenfassung auf zwei
Figuren. Für die Uraufführung hat das Junge Theater Bonn zwei
hervorragende junge Profischauspielerinnen (beide Jahrgang 1989)
engagiert. Sabrina Sauer spielt die erfrischend neugierige
zehnjährige Emma, die mit ihrem kleinen Bruder bei ihrer
alleinerziehenden Mutter in einer bescheidenen Mietwohnung lebt. Lina
Zaraket (im Libanon aufgewachsen und sowohl arabisch wie akzentfrei
deutsch sprechend) ist eine Idealbesetzung für die Rolle der
gleichaltrigen Rahaf, deren große Familie in Homs ein schönes Haus
mit vielen Zimmern und einem wunderbaren Garten besaß.
Die Inszenierung zieht mit einem fabelhaften Kunstgriff Emma in
Rahafs Geschichte hinein und lässt beide gemeinsam sowohl das
Kirmeskarussell-Vergnügen in Homs erleben wie den Bombenterror und
die Demütigungen auf dem Weg nach Europa. In der Ausstattung von
Jule Dohrn-van Rossum reichen wenige Requisiten, um alle Situationen
spielerisch herzustellen. Unter der Schulbank erscheint als einfache
Zeichnung das Domizil, wo alle Generationen glücklich
zusammenlebten: die Oma, die Tanten, die Eltern und Rahafs zahlreiche
Geschwister. Dann kam ein Krieg, der alles zerstörte und Rahafs
gutbürgerliche Familie auf ein Schlepperboot nach Italien und weiter
nach Deutschland trieb. In einer der schönsten Szenen der Aufführung
vereinen sich die beiden Mädchen zärtlich zu einem schiffbrüchigen
Geschöpf, das tapfer schwimmend das rettende Ufer erreicht.
Religiöse Differenzen und Politik sind in der Inszenierung
ausgeblendet. Es geht um die elementaren Lebensrechte, deren Wert
sozusagen kinderleicht zu begreifen ist. Der „Stern“ nannte
Kirsten Boies Erzählung das „aktuell wichtigste Kinderbuch“. Die
sensible Inszenierung macht es in einer Stunde eindrucksvoll für
Publikum ab sechs Jahren lebendig.
E.
Einecke-Klövekorn
GENERAL ANZEIGER Bonn